17. März 2025

Innovation in der digitalen Bildungslandschaft

„Von Vision zu Veränderung – Ein Gespräch mit …“ ist unser Interviewformat, mit dem wir jeden Monat mit spannenden Bildungsprotagonist:innen in den Austausch treten und deren Blick auf das Bildungssystem erhalten wollen. Dabei wollen wir sowohl über aktuelle Themen sprechen als auch von den Visionen erfahren, die unsere Gesprächspartner:innen für das Bildungssystem haben.

Berlin/Düsseldorf. 17. März 2025 Fabian Schön ist Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz und vertritt die Interessen der Schüler:innen auf Bundesebene. Er besucht das Einstein-Gymnasium Neuenhagen und engagiert sich seit mehreren Jahren in der Schülervertretung.

Das Interview mit Fabian Schön

Hallo Fabian! Schön, dass du da bist.

Danke für die Einladung.

Du bist Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz und gleichzeitig auch Schüler. Was motiviert Dich, dieses Amt zu übernehmen? Dich nur auf die Schule zu konzentrieren, wäre sicherlich schon Arbeit genug.

Ich glaube, ein solches Engagement beginnt oft damit, dass man merkt, dass man selbst im Kleinen etwas bewirken kann. Schon in der Grundschule wollte ich Klassensprecher und später Schulsprecher werden – allerdings hat es da noch nicht ganz geklappt. Auf der weiterführenden Schule konnte ich mich dann in der Schülervertretung engagieren. Dort habe ich erstmals erlebt, dass Schüler-Stimmen tatsächlich Einfluss haben. Besonders in der Schulkonferenz, wo Schüler:innen, Eltern und Lehrkräfte gemeinsam über schulische Angelegenheiten wie die Hausordnung diskutieren, wurde mir das bewusst.

Mit der Zeit hat sich mein Engagement weiterentwickelt: Ich war lange im Landesschülerrat Brandenburg aktiv und konnte dort bildungspolitische Themen auf Landesebene mitgestalten. Schließlich ergab sich die Möglichkeit, mich auf Bundesebene einzubringen – einer Ebene, auf der noch mehr Initiativen vorangetrieben werden können. Es macht mir einfach Spaß, Dinge zu bewegen, und genau das motiviert mich, weiterzumachen.

In den letzten Jahren hat sich durch die Digitalisierung vieles im Schulalltag verändert – insbesondere während der Corona-Pandemie wurden plötzlich zahlreiche digitale Tools eingeführt. Wie haben sich Deiner Meinung nach Schule und Lernen in dieser Zeit verändert?

Die Corona-Pandemie gilt oft als eine Art Wendepunkt für das deutsche Bildungssystem in Sachen Digitalisierung. Ich glaube, wir gehen in die richtige Richtung – wenn auch eher langsam. Wir sind sehr vorsichtig, in Teilen übervorsichtig, und verlieren Zeit mit Datenschutzbedenken und in langwierigen, bürokratischen Prozessen. So gibt es zwar mittlerweile digitale Grundausstattungen in Schulen, aber viele hilfreiche digitale Tools, die den Unterricht tatsächlich bereichern könnten, können gar nicht genutzt werden. Abgesehen davon war die Pandemie eine Zeit, in der wir viel Neues abseits der digitalen Tools lernen mussten. Oft gab es keine klaren Rahmenbedingungen, also haben wir selbst Wege gefunden, um mit der Situation umzugehen. Die Selbstständigkeit von uns Schüler:innen wurde wichtiger.

Wenn wir uns die Digitalisierung an sich ansehen: Gibt es eine persönliche Erfahrung, die für den aktuellen Zustand der Digitalisierung an Schulen in Deutschland besonders bezeichnend ist?

Ja, auf jeden Fall. Ich habe Informatik als Leistungskurs, und unsere Informatik-Lehrkraft ist schon etwas älter. Trotzdem kümmert sie sich um viele IT-Belange der Schule – oft, weil es sonst niemand tut. An einem typischen Montagmorgen klingelt ihr Handy alle zehn Minuten, weil sie von Raum zu Raum eilt, um anderen Lehrkräften zu helfen, nach einem Update die digitale Tafel wieder einzuschalten. Jedes Mal, wenn sie zurückkommt, erzählt sie eine Anekdote darüber, woran es diesmal gescheitert ist – und meistens liegt es nicht an der Technik, sondern an der Bedienung durch die Lehrkräfte. Das ist zwar oft unterhaltsam, zeigt aber ein grundlegendes Problem: Die Digitalisierung scheitert nicht nur an fehlender Ausstattung, sondern auch an mangelnder Schulung und Unterstützung für Lehrkräfte.

Am Ende müssen wir dahin kommen, dass Lernen und Lehren nicht als Pflichtaufgabe gesehen werden, sondern als etwas, das im besten Fall sogar Freude macht.

Fabian Schön

Wenn schon im Kleinen solche Probleme entstehen, führt das oft zu größeren Schwierigkeiten. Wie hat sich dieser Digitalisierungsprozess für die Schüler:innen angefühlt? Hat sich das Lernen durch all diese Veränderungen grundlegend gewandelt?

Ich würde sagen, vieles hat sich eher verlagert als wirklich verändert. Früher wurde mit Kreide an der grünen Tafel oder mit Markern auf dem Whiteboard geschrieben – heute passiert dasselbe mit dem Finger oder einem Stift auf der digitalen Tafel. Schüler:innen schreiben nicht mehr mit einem Stift auf Papier, sondern mit einem Apple Pencil auf dem iPad. Das mag auf den ersten Blick moderner und cooler wirken, hat aber oft keine wirkliche Auswirkung auf den Unterricht selbst. In vielen Fällen wurde die Technik einfach eingeführt, ohne dass sie sinnvoll in den Unterricht integriert wurde. Dadurch hat sich am Lernprozess wenig geändert – außer vielleicht, dass das WLAN regelmäßig ausfällt und die Lehrkraft dann erst einmal mit der Technik kämpfen muss.

Der Digitalpakt – ob 1.0 oder 2.0 – ist letztlich nur eine finanzielle Maßnahme. Welche strukturellen Maßnahmen wären notwendig, um ein digitalisiertes Bildungssystem zu gestalten, das wirklich funktioniert?

Das ist eine große Frage. Ich denke, als erstes müssen Lehrkräfte gezielt fortgebildet werden. Ohne verpflichtende Schulungen in digitaler Didaktik und Technologieanwendung bringt die beste technische Ausstattung nichts. Viele Lehrkräfte setzen digitale Tools kaum ein, weil sie nicht wissen, wie sie sie sinnvoll in den Unterricht integrieren können. Das zweite große Thema ist die digitale Infrastruktur. Es reicht nicht, wenn Schulen ein paar Tablets und digitale Tafeln bekommen – die gesamte technische Grundversorgung muss stimmen. Es braucht stabiles Breitband-Internet, funktionierende Netzwerke und Geräte, die nicht gleich ausfallen, sobald eine ganze Klasse sie gleichzeitig nutzt. Es kann nicht sein, dass Unterricht scheitert, weil das WLAN mal wieder nicht mitspielt. Und der dritte Aspekt ist, dass sich Lehrkräfte oft zusätzlich um technische Fragen kümmern müssen, weil es niemanden gibt, der offiziell zuständig ist. Jede größere Firma hat eine eigene IT-Abteilung, aber an Schulen fehlt oft jegliche professionelle Betreuung der digitalen Infrastruktur. Dabei wäre genau das notwendig, damit Lehrkräfte sich auf ihren Unterricht konzentrieren können und nicht nebenbei noch technische Probleme lösen müssen. Wenn man diese drei Punkte ernsthaft angeht, könnte das den digitalen Wandel im Bildungssystem deutlich voranbringen.

Das bedeutet also weiterhin erhebliche Investitionen. Wer ist aus Deiner Sicht in der Verantwortung, diese Veränderungen voranzutreiben? Bildung ist in Deutschland Ländersache, aber auch auf Bundes- und Schulebene gibt es Gestaltungsspielräume. Wer muss hier besonders aktiv werden?

Ich denke, man darf die Verantwortung nicht allein auf die Schulleitungen abwälzen. Die meisten würden es sehr begrüßen, wenn Lehrkräfte mehr Fortbildungen machen, aber sie haben schlicht nicht die personellen Kapazitäten dafür. Es ist nicht so, dass sich Lehrkräfte nicht weiterentwickeln wollen – sie haben einfach keine Zeit. Damit Fortbildungen möglich sind, müsste es genügend Ressourcen geben, sodass es kein Problem ist, wenn an einem Tag zwei Lehrkräfte fehlen, weil sie eine Schulung besuchen. Das ist in erster Linie eine Aufgabe der Länder, denn sie sind für Lehrkräftefortbildungen zuständig. Sie müssten nicht nur Schulungen anbieten, sondern auch aktiv auf die Schulen zugehen, um die Teilnahme zu erleichtern. Wenn Fortbildungen direkt vor Ort stattfinden würden, wäre die Hürde viel geringer. Momentan wird das oft als zusätzliche Belastung empfunden, obwohl es eigentlich eine Unterstützung sein sollte.

Wir haben viel darüber gesprochen, wie der Weg zu guter, digitaler Bildung aussehen könnte. Aber wie würdest Du gelingende Bildung im digitalen Zeitalter beschreiben?

Ich glaube, Digitalisierung muss zunächst helfen, bestehende Probleme wie den Lehrkräftemangel abzufedern. Gleichzeitig kann sie aber eine große Individualisierung im Lernen ermöglichen: Digitalisierung bietet die Möglichkeit, sich von traditionellen Unterrichtsformen wie dem Frontalunterricht zu lösen, der in vielen Studien als wenig effektiv nachgewiesen wurde. Stattdessen könnten progressive Ansätze viel stärker genutzt werden, um Wissen auf eine zeitgemäße und nachhaltigere Weise zu vermitteln. Ich denke, Gamification ist ein Bereich, der viel mehr Beachtung finden sollte. Wenn Lernen in einem spielerischen und motivierenden Rahmen stattfindet, macht es nicht nur mehr Spaß, sondern wird auch nachhaltiger. Am Ende müssen wir dahin kommen, dass Lernen und Lehren nicht als Pflichtaufgabe gesehen werden, sondern als etwas, das im besten Fall sogar Freude macht. Genau hier kann die Digitalisierung einen großen Beitrag leisten.

Gibt es in diesem Kontext Wünsche, die ihr direkt an Lehrkräfte habt? 

Das ist eine gute Frage. Ich glaube, das ist sehr individuell. Was ich mir von Lehrkräften wünsche, die kurz vor der Pension stehen, ist, dass sie sich trotz allem weiterentwickeln und offen für Veränderungen bleiben – auch, weil sie selbst etwas davon haben. Ansonsten ist mein größter Wunsch, dass sie ihr Engagement nicht aufgeben. Vieles, was im schulischen Alltag gut läuft, funktioniert nur, weil einzelne Lehrkräfte und Schulleitungen sich weit über den Unterricht hinaus engagieren. Ohne dieses Engagement hätten wir im aktuellen System noch ganz andere Probleme.

Wir haben eine Studie zu KI in Schulen gemacht („Pioniere des Wandels“), und eine der größten Sorgen, die Schüler:innen geäußert haben, war, dass sie das Lernen verlernen könnten. Sie waren sich sehr bewusst, dass KI-Anwendungen wie ChatGPT dazu führen könnten, dass sie gewisse Dinge gar nicht mehr selbst üben oder erst gar nicht lernen. Teilst Du diese Sorge?

Das ist jetzt meine persönliche Meinung, aber ich glaube, dass es vielleicht sogar gut ist, wenn wir bestimmte konventionelle Lernmethoden verlernen. Denn erst dann öffnen wir uns für neue Wege, mit denen wir – auch mithilfe von KI – Wissen effizienter verarbeiten können. Es macht zum Beispiel wenig Sinn, eine komplette Weltkarte auswendig zu lernen, wenn man mit Google Maps innerhalb von Sekunden nachsehen kann, wo ein bestimmter Ort liegt. Natürlich braucht man ein Grundwissen in allen Bereichen, aber unser aktuelles Schulsystem geht dabei an vielen Stellen viel zu weit. Statt stumpf Fakten auswendig zu lernen, sollten wir viel stärker vermitteln, wie man mit den richtigen Hilfsmitteln sinnvoll recherchiert, kritisch hinterfragt und effizient arbeitet.

Das Thema mental health ist in den letzten Jahren immer mehr in den Vordergrund gerückt, nicht zuletzt durch große Studien, die nach der Corona-Pandemie dazu veröffentlicht wurden. Würdest Du sagen, dass hier eine ernsthafte Belastung vorliegt?

Absolut, das ist auch für uns ein enorm wichtiges Thema. Das Schulbarometer der Robert Bosch Stiftung zeigt, dass jede:r fünfte Schüler:in von sich selbst sagt, nicht psychisch gesund zu sein. Dabei spielt die Schule eine doppelte Rolle. Einerseits ist sie mitverantwortlich für die Problematik – etwa durch hohen Leistungsdruck oder eine überholte Prüfungskultur. Andererseits tut die Schule kaum etwas, um die mentale Gesundheit zu fördern. Viele Schulen sind schlicht keine angenehmen Orte.

Gleichzeitig muss der Leistungsdruck überdacht und die Prüfungskultur reformiert werden, um das System nicht noch zusätzlich zu einem Belastungsfaktor zu machen. Und dann geht es natürlich um die direkte Unterstützung. Schulsozialarbeit und Schulpsychologie sind essenziell, damit es vor Ort Ansprechpartner gibt, die Probleme frühzeitig erkennen und Schüler:innen gezielt unterstützen können.

Bevor wir also über zusätzliche Maßnahmen sprechen, müssen wir erst einmal sicherstellen, dass Schulen keine Orte sind, die psychische Belastungen noch verstärken. Dazu gehören sowohl die baulichen Bedingungen als auch die Art, wie Lernen und Leistung organisiert sind. Wenn das sichergestellt ist, kann man gezielt über ergänzende Unterstützungsangebote nachdenken. Wir setzen uns stark dafür ein, dass dieses Thema mehr Aufmerksamkeit bekommt. Psychische Erkrankungen müssen genauso ernst genommen werden wie körperliche. Deshalb sagen wir, dass Unterstützung direkt an Schulen verfügbar sein muss.

Ihr müsst oft darum kämpfen, gehört zu werden…

Strukturell gesehen wünschen wir uns eine stärkere institutionelle Verankerung, vor allem in der Kultusministerkonferenz und im Bildungsausschuss des Bundestags. Es sollte selbstverständlich sein, dass wir bei allen bildungspolitischen Entscheidungen, die Schüler:innen betreffen, angehört werden. Momentan passiert das in einigen Untergremien der Kultusminister- und Bildungsministerkonferenz, aber das Potenzial ist viel größer. Das Gleiche gilt für den Bildungsausschuss im Bundestag. Wenn unsere Perspektive an den richtigen Stellen Gehör findet, ist das ein großer Schritt nach vorne. Ich habe den Eindruck, dass es bei vielen bildungspolitischen Entscheidungsträgern durchaus ein offenes Ohr für unsere Anliegen gibt. Aber oft scheitert es an veralteten Verwaltungsstrukturen, die es erschweren, Schüler:innen eine echte Mitsprache zu ermöglichen.

Ich spreche für rund zehn Millionen Schüler:innen in Deutschland – aber das sind eben keine Wählerstimmen. Und genau das ist das Problem. Bildungspolitik wird oft nicht als prioritäres Thema behandelt – dabei glaube ich persönlich, dass man mit einer starken Bildungspolitik durchaus Wahlen gewinnen könnte. Wir als Schülervertretung sind eine Möglichkeit, sich einzubringen, aber es gibt noch viele andere Wege – sei es in Jugendgremien, Jugendparteien oder anderen Formen des Engagements. Das Entscheidende ist, dass die Jugend wieder eine starke Stimme bekommt. Während der Corona-Pandemie haben junge Menschen enorm zurückgesteckt, ohne dass ihre Anliegen ernsthaft gehört wurden. Jetzt wäre es an der Zeit, dass die Gesellschaft ihnen etwas zurückgibt und sie stärker einbindet

Über die Vodafone Stiftung Deutschland 

Die Vodafone Stiftung setzt sich für gute Bildung in einer zunehmend digitalen Welt ein, die auf die individuellen Talente und Fähigkeiten der Schüler:innen eingeht und Lehrkräfte für einen digitalen Unterricht befähigt. Die Stiftung engagiert sich für die Vermittlung von 21st Century Skills und eine bessere Nutzung der digitalen Chancen, um Lehren und Lernen auf eine neue Stufe zu heben und mehr Bildungsgerechtigkeit zu schaffen. Dazu unterstützen wir die innovativen Kräfte im Bildungswesen und arbeiten konstruktiv an strukturellen Reformen des Bildungssystems mit. www.vodafone-stiftung.de 

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