Daten als „Währung“
Wissen Jugendliche, worauf sie sich einlassen, wenn sie soziale Medien nutzen? Denn die Nutzung sozialer Medien ist mitnichten kostenfrei, sondern basiert auf einem Tauschgeschäft von User-Daten gegen die Dienste der Internetservices.
Ein Forschungsprojekt der Universität Ulm, gefördert von der Vodafone Stiftung Deutschland, hat untersucht, inwieweit junge Menschen über das sogenannte Datengeschäftsmodell sozialer Medien Bescheid wissen und wie sie dieses und mögliche Alternativen bewerten.
Berlin/Düsseldorf. Das Internet und die Kommunikation über soziale Dienste wie WhatsApp, Instagram oder TikTok bestimmen inzwischen weithin das menschliche Miteinander in Beruf und Privatleben. Die Nutzung ist nur vermeintlich kostenlos: Die Nutzer:innen – auch Kinder und Jugendliche – teilen im Austausch für die Nutzungsrechte ihre teilweise sehr persönlichen Daten mit den Unternehmen hinter den sozialen Medien.
Das sogenannte Datengeschäftsmodell sozialer Medien beinhaltet, dass Unternehmen über die Verwendung von User-Daten auf die Nutzer:innen angepasste Werbung – zum Teil auch mit politischen Inhalten – ermöglichen und damit Geld verdienen. Viele Internetkonzerne, vor allem ein Großteil der bekannten Social-Media-Unternehmen, nutzen dieses Geschäftsmodell.
Aber wissen Kinder und Jugendliche um den Wert ihrer Daten und verstehen sie, wie ihre Daten genutzt werden? Wie bewerten junge Menschen das Datengeschäftsmodell sozialer Medien und was halten sie von einer beitragsfinanzierten Alternative nach Vorbild der öffentlich-rechtlichen Medien?
Gefördert von der Vodafone Stiftung Deutschland haben Wissenschaftler:innen unter der Leitung von Dr. Cornelia Sindermann vom Institut für Psychologie und Pädagogik der Universität Ulm (Deutschland) zu diesen Fragen das Forschungsprojekt „Bewertung von Szenarien zum Angebot und zur Nutzung sozialer Medien durch Jugendliche“ durchgeführt. Es entstand als Folgeprojekt des DiDaT-Projekts (Digitale Daten als Gegenstand eines Transdisziplinären Prozesses; www.didat.eu/ueber-didat).
Folgende Fragen wurden erstmals untersucht:
- Inwieweit sind Jugendliche über das Datengeschäftsmodell hinter großen sozialen Medien und dessen Mechanismen informiert?
- Wie bewerten Jugendliche Aspekte dieses Datengeschäftsmodells, wenn man ihnen Informationen darüber zur Verfügung stellt?
- Inwieweit hängen Alter und Geschlecht der Jugendlichen mit dem Wissen über das Datengeschäftsmodell, mit dessen Bewertung sowie mit der Bewertung potenzieller Alternativen zusammen?
Das Studiendesign:
1.274 Jugendliche zwischen 12 und 18 Jahren nahmen an einer Onlineumfrage teil. Sie absolvierten einen Wissenstest und beantworteten Fragen zur Evaluation des genannten Datengeschäftsmodells und potenzieller Alternativen.
Die wichtigsten Ergebnisse:
- Jugendliche verfügen weitgehend unabhängig von soziodemografischen Variablen wie Alter und Geschlecht bereits über ein grundlegendes Wissen zum Datengeschäftsmodell sozialer Medien.
- Das Wissen um datenschutzrechtliche Rahmenbedingungen (bspw. zu den in der Datenschutzgrundverordnung festgelegten Rechten) scheint bei Jugendlichen jedoch noch ausbaufähig zu sein.
- Viele der befragten Jugendlichen würden ein öffentlich-rechtlich finanziertes soziales Medium lieber nutzen als ein soziales Medium, das auf dem Datengeschäftsmodell aufbaut.
- Die Jugendliche wären bereit, rund zwei Drittel mehr für die Nutzung eines öffentlich-rechtlichen sozialen Mediums zu bezahlen als für eines auf Grundlage des Datengeschäftsmodells: Die Befragung ergab, dass sie durchschnittlich 2,52 Euro pro Monat für ein öffentlich-rechtliches soziales Medium aufbringen würden. Für die Nutzung eines sozialen Mediums auf Basis des Datengeschäftsmodells wären sie hingegen nur zu einer Zahlung von durchschnittlich 1,49 Euro pro Monat bereit.
Grafiken der Studie
Der Impact der Studie:
Die Autor:innen sind überzeugt, dass die selbstbestimmte Nutzung digitaler Angebote nur möglich ist, wenn ausreichend Wissen zu den Nutzungsbedingungen vorhanden ist. Die Ergebnisse lassen erkennen, in welchen Bereichen diesbezüglich noch Wissen bei den Jugendlichen fehlt, zum Beispiel im Bereich rechtlicher Rahmenbedingungen.
Die Forschungsergebnisse helfen dabei, Informationsveranstaltungen zu konzipieren, Lernmaterialien zu erstellen sowie Lehrpläne zu überarbeiten, um die Kenntnisse von Kindern und Jugendlichen über das Datengeschäftsmodell sozialer Medien und somit die Digital Literacy junger Menschen zu erweitern.
Zudem ermöglichen die Ergebnisse eine Diskussion über die Akzeptanz des aktuell vielfach genutzten Datengeschäftsmodells sozialer Medien sowie potenzieller alternativer Bezahlmodelle unter jungen Usern.