13. März 2024
Studie der Vodafone Stiftung: Prof. Dr. Thomas Süße im Interview zur Integration von KI ins Bildungssystem und Lehrerkompetenzen
Im Rahmen der Studienveröffentlichung „Pioniere des Wandels – Wie Schüler:innen KI im Unterricht nutzen möchten“ äußerte sich Prof. Dr. Thomas Süße in einem Interview zu den Chancen und Herausforderungen der Integration von KI ins Bildungssystem sowie zur Bedeutung der Lehrerkompetenzen in diesem Zusammenhang.
Berlin/Düsseldorf. 13. März 2024. Prof. Dr. Thomas Süße konzentriert sich bei seiner Forschung und Lehre an der Hochschule Bielefeld auf Künstliche Intelligenz, insbesondere im Bildungsbereich. Im Interview mit der Vodafone Stiftung spricht er zu den Herausforderungen und Chancen der Integration von KI im Bildungswesen sowie zur besonderen Bedeutung sozialemotionaler Kompetenzen für Lehrkräfte.
Dass vollständige Interview mit Herrn Süße ist in der Jugendstudie unter www.vodafone-stiftung.de/jugendstudie-kuenstliche-intelligenz/ zu finden.
Auszüge aus dem Interview mit Prof. Dr. Thomas Süße und der Vodafone Stiftung
Vodafone Stiftung: Herr Prof. Süße, Ihre Forschungen konzentrieren sich auf Künstliche Intelligenz insbesondere im Bildungsbereich. Unsere Studie zeigt, dass Schülerinnen und Schüler KI überwiegend als Chance für positive Veränderungen im Bildungssektor sehen. Teilen Sie diesen Optimismus? Welche Risiken dürfen Ihrer Meinung nach nicht übersehen werden?
Thomas Süße: Zunächst ist es bemerkenswert, dass junge Menschen oft eine offene und positive Haltung gegenüber neuen Technologien haben. Meine Forschung zeigt, dass Schülerinnen und Schüler insbesondere an der Integration von KI-Tools in den Schulalltag interessiert sind, um ihren Lernprozess zu unterstützen – zur Unterstützung bei Recherchen, Zusammenfassungen, vor allem aber auch als interaktive Lernpartner. Dieses Engagement ist natürlich zu begrüßen, allerdings wächst mit der zunehmenden Nutzung auch die Notwendigkeit eines kritisch reflektierten Umgangs mit diesen Technologien.
Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Frage nach Eigenleistung und Integrität im Bildungskontext. Ich sehe in der generativen KI ein großes Potenzial, die Kompetenzorientierung im Bildungsbereich zu stärken. Wir müssen aber achtsam mit den inhärenten Risiken umgehen, um die Veränderungen durch KI-Nutzung angemessen begleiten zu können.
Vodafone Stiftung: Sie warnen davor, KI als Super-Tool zu betrachten. Können Sie etwas genauer erläutern, wie KI Ihrer Meinung nach manchmal missverstanden wird?
Thomas Süße: Oft wird KI unreflektiert als Lösung für alle Herausforderungen angesehen, ähnlich der frühen Euphorie um die Einführung von Tablets im Unterricht. Ein kritisches Verständnis für die Möglichkeiten und Grenzen von KI ist entscheidend. KI-Tools sind hervorragend darin, uns bei der Strukturierung komplexer Themen zu unterstützen, aber sie ersetzen nicht den menschlichen Diskurs oder die sozial-emotionale Interaktion im Lernprozess. Ein konstruktiver, kritischer Umgang mit KI ermöglicht es, diese Technologie ausgewogen und zielführend im Bildungsbereich einzusetzen.
Vodafone Stiftung: Wir sehen also reichlich Euphorie und eine immer stärker werdende Nutzung von KI-Tools. Wie können Bildungseinrichtungen auf die wachsende Präsenz von KI in Schulen reagieren?
Thomas Süße: Wir stehen vor einer Herausforderung, die klare Regeln und Transparenz erfordert, um Orientierung zu bieten. Trotz des hohen Erwartungsdrucks an Schulen ist es wichtig, anzuerkennen, was bereits geleistet wurde: sowohl von Schulleitungen als auch von allen Lehrer:innen.
Zudem ist es entscheidend, dass wir multidimensionale Ansätze verfolgen, die didaktisch-pädagogische, technologische sowie rechtliche und administrative Fragen berücksichtigen. Insbesondere der Datenschutz spielt eine zentrale Rolle, um den Schüler:innen den Zugang zu KI-Tools zu ermöglichen, ohne ihre Privatsphäre zu gefährden.
Vodafone Stiftung: Wie können Schulen darauf reagieren, um Technostress zu mindern oder zu vermeiden?
Thomas Süße: Es gibt mehrere Unterstützungsressourcen, die Schulen nutzen können. Lehrkräfte spielen eine entscheidende Rolle, indem sie didaktisch und pädagogisch sinnvoll mit KI-Tools arbeiten. Klare Regelungen und Leitfäden sind ebenso wichtig wie die Unterstützung durch das soziale Umfeld der Schüler:innen, einschließlich Eltern und Freund:innen. Darüber hinaus sind die individuellen Fähigkeiten und Kompetenzen der Schüler und Schülerinnen wie Digitalkompetenz und Resilienz wichtige Ressourcen, um mit dem potenziellen Stress umzugehen.
Ein spannender Aspekt ist die Nutzung generativer KI als Lernpartner, was eine neue Form der Interaktion im Bildungskontext darstellt. Es ist essenziell, dass wir die Potenziale solcher Technologien erkennen und nutzen, um Lernergebnisse zu verbessern. Gleichzeitig müssen wir die Lehrkräfte in die Lage versetzen, diese Veränderungen zu unterstützen und zu begleiten. Ein offener Austausch über die Möglichkeiten zur Flexibilisierung des Schulbetriebs ist ebenso wichtig, um auf die Dynamik der technologischen Entwicklung reagieren zu können.
Prof. Dr. Thomas Süße
Professor für Personal und Organisation, Hochschule Bielefeld
Vodafone Stiftung: Welche Ressourcen sind Ihrer Meinung nach am wichtigsten, um Schüler:innen zu helfen, mit technologieinduziertem Stress umzugehen?
Thomas Süße: Neben der Unterstützung durch Lehrkräfte und das soziale Umfeld sind die persönlichen Kompetenzen der Schüler:innen selbst von größter Bedeutung. Die Entwicklung von Digitalkompetenzen und Resilienz ermöglicht es ihnen, Herausforderungen selbstbewusst zu begegnen und positiv zu nutzen. Es ist wichtig, dass Schulen eine Umgebung schaffen, die diese Fähigkeiten fördert und Schülerinnen und Schüler dabei unterstützt, ein gesundes Verhältnis zur Technologie zu entwickeln.
Vodafone Stiftung: Ist es also weniger das Ziel, die Stressquelle zu eliminieren, als vielmehr die Resilienz der Jugendlichen zu stärken?
Thomas Süße: Genau. Die Stressquellen im Bildungskontext – wie auch im Leben nach der Schule, auf das wir die Jugendlichen ja auch vorbereiten möchten – sind oft konstant; der Umgang mit KI ist dabei nur ein Beispiel unter vielen. Es geht darum, die Schülerinnen und Schüler durch Bereitstellung von Ressourcen und Gestaltungselementen zu unterstützen. KI kann beispielsweise zur individuellen Förderung durch adaptive Lernmaterialien genutzt werden, was die Belastung reduzieren und die Binnendifferenzierung im Unterricht fördern kann.
Vodafone Stiftung: Verändert KI sowohl die Art des Unterrichts als auch die des Prüfens?
Thomas Süße: Absolut. KI-Tools fördern eine stärkere Kompetenzorientierung, da sie den Zugang zu Informationen erleichtern und ein tieferes Verständnis von Inhalten ermöglichen. Dies erfordert eine Anpassung des Prüfungswesens, weg von der reinen Wissensabfrage hin zu kompetenzorientierten Prüfungen, die situationsunabhängige Handlungsfähigkeiten bewerten.
Vodafone Stiftung: Welche Herausforderungen und Chancen sehen Sie in der Implementierung von KI-basierten Lern- und Prüfungsmethoden?
Thomas Süße: Eine Herausforderung ist die Messbarkeit von Kompetenzen. Wir müssen Prüfungsformate entwickeln, die es ermöglichen, die Fähigkeit der Schüler:innen zu bewerten, Wissen auf neue Probleme anzuwenden. Gleichzeitig müssen wir sicherstellen, dass Lehrkräfte die Mittel haben, solche Prüfungen effizient zu gestalten und zu bewerten. Diese Veränderungen können auch die Haltung zum Lernen positiv beeinflussen, weg von der Frage der Prüfungsrelevanz hin zu einem Lernen fürs Leben.
Vodafone Stiftung: Gibt es abschließende Gedanken oder wichtige Punkte, die Sie hervorheben möchten?
Thomas Süße: Ein spannender Aspekt ist die Nutzung generativer KI als Lernpartner, was eine neue Form der Interaktion im Bildungskontext darstellt. Es ist essenziell, dass wir die Potenziale solcher Technologien erkennen und nutzen, um Lernergebnisse zu verbessern. Gleichzeitig müssen wir die Lehrkräfte in die Lage versetzen, diese Veränderungen zu unterstützen und zu begleiten. Ein offener Austausch über die Möglichkeiten zur Flexibilisierung des Schulbetriebs ist ebenso wichtig, um auf die Dynamik der technologischen Entwicklung reagieren zu können.
Über die Vodafone Stiftung Deutschland
Die digitale Welt aktiv zu gestalten, erfordert neue Kompetenzen. Wir müssen neue Technologien verstehen, Veränderungen kritisch hinterfragen und gemeinsam kreative Lösungen für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts schaffen. Deshalb denkt die Vodafone Stiftung Bildung für die digitale Gesellschaft neu. Gemeinsam mit Vorreiter:innen aus Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft forschen wir, engagieren uns in gesellschaftspolitischen Debatten und entwickeln innovative Bildungsangebote. www.vodafone-stiftung.de
Die Stiftung ist Teil eines Bündnisses von über 120 Organisationen und Institutionen, die in einem gemeinsamen Appell den Bundeskanzler und die Regierungschef:innen der Länder aufrufen, mit einem Nationalen Bildungsgipfel einen grundlegenden Reformprozess im Bildungswesen einzuleiten. Die Initiative nutzt den Hashtag #NeustartBildungJetzt, der Appell und die Liste der Unterstützer:innen sind unter www.neustart-bildung-jetzt.de zu finden.
Credit
n.n.