17. April 2024

Innovation in der digitalen Bildungslandschaft

„Von Vision zu Veränderung – Ein Gespräch mit …“ ist unser Interviewformat, mit dem wir jeden Monat mit spannenden Bildungsprotagonist:innen in den Austausch treten und deren Blick auf das Bildungssystem erhalten wollen. Dabei wollen wir sowohl über aktuelle Themen sprechen als auch von den Visionen erfahren, die unsere Gesprächspartner:innen für das Bildungssystem haben.

Berlin/Düsseldorf. 17. April 2024. Prof. Dr. Johanna Mair, Professorin an der Hertie School of Governance, spricht im Interview mit der Vodafone Stiftung über erfolgreiche Bildung in der Digitalität und das deutsche Bildungssystem.

Das Interview mit Prof. Dr. Johanna Mair

Wie definieren Sie „erfolgreiche Bildung in der Digitalität“ – und wie gelangen wir zu diesem Ziel?

Erfolgreiche Bildung in der Digitalität ermöglicht es, bestehende gesellschaftliche Klüfte („Divides“) zu überbrücken. Sie bildet das Fundament für eine Gesellschaft und Wirtschaft, die sowohl den gegenwärtigen als auch zukünftigen Herausforderungen gewachsen sind. Deshalb ist das Nachdenken über Bildung im digitalen Zeitalter ein zentraler Bestandteil jeder zukunftsorientierten Politik, weit über die Bildungspolitik hinaus.

Was ist die aktuell bedeutendste Herausforderung, die Sie im deutschen Bildungssystem sehen? Wie könnten diese Ihrer Meinung nach angegangen werden?

Die bedeutendste Herausforderung liegt zweifellos im Mangel an politischem Willen, strukturelle Hindernisse einer Bildungsreform zu beseitigen oder konstruktiv anzugehen – eine solcher Barrieren ist beispielsweise der Föderalismus. Zudem beobachte ich einen Mangel an Bestreben, Bildungsreformen aus der Perspektive der eigentlichen Zielgruppe, nämlich der Kinder und Jugendlichen, zu gestalten. In meiner Forschungsarbeit stelle ich häufig fest, dass Ideen und Lösungen, die aus der Zivilgesellschaft oder direkt von den Betroffenen stammen, oft heruntergespielt werden. Dadurch erreichen diese innovativen Ansätze nicht die erforderliche Reichweite, um tatsächlich wirksam zu werden.

In Ihrer Forschung beschäftigen Sie sich intensiv mit social entrepreneurship. Inwieweit sehen Sie Überschneidungen zwischen sozialer Innovation und Bildungsreformen? Gibt es Beispiele, wo soziale Innovation entscheidend zur Verbesserung von Bildungssystemen beigetragen hat?

Soziale Innovation (social entrepreneurship) umfasst ein weites Spektrum an innovativen Methoden und Initiativen, die darauf abzielen, gesellschaftliche Herausforderungen und soziale Probleme zu adressieren. Im Bereich der Bildung sind viele dieser sozialen Innovationsvorhaben angesiedelt. Die derzeit interessantesten Ansätze beschäftigen sich mit KI-basierten Lösungen und unterstützenden Maßnahmen, zum Beispiel die frühzeitige Erkennung von Lernschwächen und die Entwicklung individuell zugeschnittener Programme, um diesen entgegenzuwirken. Dies hat auch den Vorteil, soziale und ökonomische Ungleichheiten zu verringern, die oft durch die hohen Kosten für Nachhilfeunterricht entstehen.

Ihre Arbeit hat zudem oft eine globale Perspektive. Welche internationalen Trends in Bildungsinnovationen finden Sie besonders bemerkenswert? Könnten diese auf das deutsche Bildungssystem angewendet werden?

Am wohl fruchtbarsten lernen wir von anderen, indem wir dies auf der Ebene des Bildungssystems tun. Es ist beispielsweise wichtig, die Ergebnisse der PISA-Studien nicht nur oberflächlich zu behandeln, sondern sich eingehend damit auseinanderzusetzen, welche systemischen Anpassungen und Veränderungen erforderlich sind, um die Bildung nachhaltig und umfassend zu verbessern. Natürlich ist es auch möglich, spezifische (soziale) Innovationen zu adaptieren, wie etwa ein KI-gestütztes Programm für Nachhilfeunterricht. Im Idealfall sind aber auch solche isolierten Innovationen in ein funktionierendes System eingebettet.

Sie haben Erfahrung in der Beratung von Unternehmen und Regierungen. Wie können Partnerschaften zwischen dem privaten Sektor und Bildungseinrichtungen zur Förderung von Bildungsinnovationen beitragen?

Die entscheidende Grundlage dafür ist ein Austausch auf Augenhöhe. Ich würde mir Formate wünschen, die weniger Wert darauf legen, alle Verbände und Intermediäre einzubinden, und stattdessen einen inhaltlichen Schwerpunkt setzen und mit einem klaren Umsetzungsmechanismus gekoppelt sind. Das explizite Mandat zur Umsetzung vermisse ich in den vielfältigen Task Forces und Austauschformaten.

Was motiviert Sie persönlich, sich im Bildungsbereich zu engagieren?

Ich bin Educator, weil es der wichtigste Hebel ist, um einen Unterschied im Leben der nächsten Generation zu machen. In meiner Rolle als Lehrende erreiche ich die Lernenden direkt und kann zeigen, dass und wie jeder einzelne zum gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Fortschritt beitragen kann. Zu häufig meiden wir diese persönliche Verantwortung, obwohl es wichtig ist, dass jeder seinen Teil beiträgt.

In meiner Forschung beobachte ich die Rolle von Bildung in Transformationsprozessen und versuche gleichzeitig zu verstehen, wie es möglich ist, in solch festgefahrene Systeme wie das des deutschen Bildungssystems, einzugreifen und Veränderung anzustoßen. Zudem ist es faszinierend zu sehen, wie attraktiv das Bildungswesen für die Philanthropie und Stiftungen ist – und wie trotz gutgemeinter Interventionen und den besten Intentionen nur wenig Fortschritt erreicht wird.

Neben meiner Tätigkeit bei der Vodafone Stiftung setze ich mich auch für das Thema “Financial Literacy“ ein. Ich bin der Meinung, dass das Thema “Financial Health“ zu wenig Beachtung findet und es wahrscheinlich auch am politischen Willen fehlt, dieses Thema besser im Bildungssystem und in der Gesellschaft zu verankern.

Über die Vodafone Stiftung Deutschland 

Die digitale Welt aktiv zu gestalten, erfordert neue Kompetenzen. Wir müssen neue Technologien verstehen, Veränderungen kritisch hinterfragen und gemeinsam kreative Lösungen für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts schaffen. Deshalb denkt die Vodafone Stiftung Bildung für die digitale Gesellschaft neu. Gemeinsam mit Vorreiter:innen aus Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft forschen wir, engagieren uns in gesellschaftspolitischen Debatten und entwickeln innovative Bildungsangebote. www.vodafone-stiftung.de 

Die Stiftung ist Teil eines Bündnisses von über 131 Organisationen und Institutionen, die in einem gemeinsamen Appell den Bundeskanzler und die Regierungschef:innen der Länder aufrufen, mit einem Nationalen Bildungsgipfel einen grundlegenden Reformprozess im Bildungswesen einzuleiten. Die Initiative nutzt den Hashtag #NeustartBildungJetzt, der Appell und die Liste der Unterstützer:innen sind unter www.neustart-bildung-jetzt.de zu finden. 

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